Die wirtschaftliche Entwicklung
Bis zum Einbruch der Franken stand es den Familien frei, wo sie siedelten; das wird für Wethen und Audaxen gelten. Nachher wurde das freie Land beschlagnahmt und als Königsland (Reichsgut) erklärt. So entstand vor dem Königsberg der Haupthof Rekenen mit einigen Kotstellen, d.h. 4-5 Arbeiterwohnhäusern, in denen die Hörigen wohnten, die auch etwas Land bestellen konnten. Auf dem Haupthof wohnte ein (Edel-)Freier, der sich seine Freiheit bewahrt hatte und sich im Mittelalter zum niederen Adel rechnete. Weil die meisten Männer die Bürde der Kriege (Verpflegung und Bewaffnung mußten selbst gestellt werden, durch die Abwesenheit litt die Bewirtschaftung des Hofes) zur Karolingerzeit nicht tragen konnten oder wollten, begaben sie sich in den Dienst eines Grundherrn, d.h. ihres Landesherrn, eines Ritters oder Klosters. In den Ortschaften beauftragte der Grundherr den Inhaber des größten Hofes mit der Verwaltung und Aufsicht der Güter; als solcher hieß er villicus major, daraus wurde das Wort Mejjer = Megger = Meyer. Der Grundherr verpachtete (vermeierte) das Gut für 6 oder 12 Jahre. Der Pächter mußte einen "Weinkauf" geben, auch bei jeder Erneuerung nach solchem Zeitraum. Der Grundherr stellte den "Meierbrief" aus, ebenfalls bei jeder Erneuerung des Pachtverhältnisses. Ein Anrecht vom Pächter (Meier) auf eine weitere Überlassung des Gutes bestand nicht. Der Grundherr konnte also jederzeit nach Ablauf der 6 oder 12 Jahre ein Gut neu vermeiern. 1627 beklagt sich der Richter Henrich Warburg beim Grafen, die von Warburg ließen von der Kanzel absagen, wer Lust hätte, könne den Asseler Zehnten von Wethen haben. Ein solches Vorgehen der Stadt Warburg zur Zeit der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges ist begreiflich; sie hatte sich nicht mit den vorigen Inhabern in Verbindung gesetzt. Die Grundherren verkauften ihre Besitzungen in den einzelnen Orten nach Belieben und Notwendigkeit, vererbten sie, und damit wechselten auch vielfach die Meier der Güter von Ort zu Ort mit den Grundherren. Man ist erstaunt über die zahlreichen neuen Namen, die von einem Jahrzehnt zum andern auftreten und zwar bis zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Durch ihn wird das Land entvölkert, und nun können sich die Meier um die Güter mit den besten Ländern bewerben. Noch Jahrzehnte bleiben Höfe unbesetzt. Die Erblichkeit der Güter bahnt sich durch den Übergang vom Vater auf den Sohn im Laufe des l7. Jahrhunderts an und setzt sich durch. Damit entfällt wohl der Weinkauf, selbstverständlich nicht die Abgabe der Pacht an den Grundherrn, die in Form der Dienste weiterhin zu leisten ist. Das geschieht erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Nach der Größe des übernommenen Gutes unterschied man Ackerleute und Kötner: Der Ackermann (Vollmeier, Vollspänner) mußte den Dienst mit 4 Pferden ausführen, der Halbspänner mit zweien; wieviel Zugpferde sie tatsächlich auf ihrem Gut hielten, war unwichtig. Die Kötner leisteten nur Handdienste. Diese Dienste waren ein- für allemal festgesetzt. Infolgedessen konnten Güter nicht beliebig geteilt oder vereinigt werden, es mußten sich immer entsprechende Dienste ergeben. Während in den übrigen Gemeinden des ehemaligen Twister Kreises zur Bearbeitung des Landes allgemein 30 Morgen gerechnet werden, d.i.eine Hufe, gelten für Wethen mit seinem schweren und fruchtbaren Boden nach der Aufstellung von 1655 nur 24 - 28 Morgen. Als im l7. Jahrhundert nur wenige Anwärter für Güter zur Verfügung standen, konnten sie auch Acker- und Kötnergut in einer Hand vereinigen, sie mußten nur die entsprechenden Dienste leisten und Abgaben entrichten. Von jedem Haus, von dem der Rauch aufstieg, war 1600 das Rauchhuhn fällig; außerdem gaben die ganzen Kötner l Huhn, die Ackerleute 2-7 Hühner und dieselbe Zahl Stiegen Eier. Neben einem in Geld bemessenen "Wiesengeld" drückte vor allem die Getreideabgabe für das Ackerland, je nach der Besamung in Roggen oder Hafer zu gleichen Teilen (partim). Außer dieser "Heuer" war eine gleiche Fruchtabgabe für Rodeländer im Herbst nach der Ernte zu entrichten. Der "Feldzehnte" an Kloster Hardehausen lief nebenher, ebenso der Kirchenzehnte. Von den zur Eichel- oder Buchenmast getriebenen Schweinen mußte das Mastgeld gezahlt werden, für je 20 gehaltene Schafe verlangte der Grundherr l "Zählschaf" (deswegen wurden häufig 19, 39, 59 Stück gehalten). Ferner "muß ein jeder Hausgesessener 2 Stück Garn spinnen, die mit anderen (die sogen. Beisitzer oder Beisassen) im Haus sitzen, l  Stück". Das dürfte genügen, denken wir. Weit gefehlt. Diese Abgaben waren nur einmal im Jahr erforderlich. Viel mehr drückten die wöchentlichen "Dienste", das beweisen die vielen Bitten und Beschwerden an die Amtleute und Kammer. 1568 beschwerten sich die Dorfschaften Wethen, Ammenhausen und Dehausen und baten Gräfin Anna um Erleichterung der Dienste, weil die Gemeinde Wrexen zu Arbeiten nach Billinghausen verordnet war.

1579 Die Dorfschaften Wethen, Ammenhausen und Dehausen beschwerten sich über die im Amt Rhoden zu leistenden Dienste: "Die Leute haben zu Hause oft kein Stück Brot, müssen ungegessen zum Herrendienst gehen, bekommen dort weder Speise noch Notdurft, können sich bei der Arbeit nicht erholen und müssen sich mit hungrigem Bauch trollen".

1583 wenden sich die "Dörfer Weten, Ammenhusen und Desen" in einem ausführlichen Schreiben an die Grafen Franz und Günther. Von den Amtleuten und dem Vogt werden sie "gegen alles Herkommen beschwert, beleidigt und gedrängt, so daß es auf die Dauer zu tragen unmöglich ist". Dagegen protestieren sie. Die Klage soll nicht zu Widergesetzlichkeit, Ungehorsam und Aufruhr führen. In 14 Punkten werden ungehörige Strenge und persönliche Bereicherung der Amtleute angeprangert: "Es wird ein Übermaß verlangt. Früher gingen bei Arbeiten in Feld oder Wald zwei Mann fort, um das Essen zu holen. Die Leute kommen oft nüchtern zur Arbeit, weil sie zu Hause keine Speise haben. Jetzt werden sie ausgeschimpft, müssen z.T. einen ganzen Tag arbeiten. Wenn sie etwas bekommen, ist es Kleie, M. hat das beste Mehl für sich ausgemahlen. Es ist wahr, daß er die armen Leute bedrogget, sie in Stock und Block zu werfen, wenn sie nicht persönlich für ihn arbeiten... Es ist wahr, daß er das Korn mit Füßen bei der Abgabe in den Scheffel tritt. Verfährt M. auch so bei der Abgabe bei seinem Herrn? .." Die Dienstpflichtigen wollen mit Leib und Gut dienen, wünschen aber, von diesem Amtmann befreit zu werden. Die Kammer verlangte Stellungnahme zu den Anschuldigungen und griff durch. Hier tritt wie auch in späteren Jahren die Erbitterung zutage, daß Amtleute bei Nichtzahlung Pferde pfänden und damit die Bearbeitung des Landes hindern.

Zweimal in der Woche mußten die Ackerleute mit ihren Gespannen auf der Domäne Laubach das Feld bestellen, Heu, Getreide und zum Schloß Rhoden Holz und Wasser fahren.

1827 beschwerten sich die Kötner, daß sie so häufig zum Umstechen des Getreides auf den herrschaftlichen Boden nach Rhoden bestellt werden. Früher geschah das ein- bis zweimal, jetzt sollen die Vollkötner 30 mal und die Halbkötner 15 mal kommen. Außer dem schweren Laubacher Meiereidienst, der im Sommer oft die ganze Woche dauert, sind Zinshahnen, Rauchhühner, Eier und Wildbret nach Arolsen zu tragen. Die Kötner wollen sich dem Dienst nicht entziehen, sie bitten jedoch, Maßnahmen zu treffen, wodurch die Arbeit auf dem Fruchtboden erleichtert wird.

Das Verhältnis der Ackerleute und Kötner zueinander wurde gelegentlich gestört, wenn eine Seite nach Ansicht der andern eine Vergünstigung erfahren hatte, die deren Last erleichterte. 1732 beschwerten sich die Kötner, die Ackerleute hätten eine Verordnung bei der Kammer erschlichen, nach der die Kötner zu dem bisherigen Kalk brennen noch Holz hauen und Steine brechen übernehmen müssen. Bisher haben beide Gruppen zusammen die Kalksteine gebrochen und das zum Brennen der Steine erforderliche Holz gehauen. Sodann fuhren Ackerleute und Fahrkötner den gebrannten Kalk an die Baustellen, während die Arbeit am Kalkofen von den halben Kötnern verrichtet wurde. Diese Observanz möge beibehalten werden. Gegen diesen Vorwurf, sie hätten die Verordnung erschlichen, wenden sich die Ackerleute mit aller Entschiedenheit. Die Rentkammer hat nach genauer und sorgfältiger Untersuchung die neue Regelung getroffen und darauf die Verordnung erlassen. Ein Kötner kann den Dienst mit 3-4 Mariengroschen abtragen, falls er die Arbeit nicht selbst tun kann. Der Ackermann muß mit seinem völligen Geschirr den ganzen Tag das Brennholz herbei fahren, am nächsten Tage die Steine und wenn der Kalk gebrannt ist, in weiteren 2-3 Tagen sein Geschirr zur Abfuhr nach Arolsen treiben (Dort entstand das Schloß mit der neuen Stadt). In dieser Zeit ist zumeist Heu zu machen oder Getreide zu ernten, dann verdirbt ihm manches. Während die Ackerleute an den Bettelstab kommen, bringen die Kötner als freie Leute deren Land an sich; es sind in der Gemeinde wohl nicht über 4-5 Kötner, die nicht Land und Sand von den Ackerleuten haben. Sie mißbrauchen die Hutegerechtigkeit der Gemeinde. Während die Ackerleute mit ihrem eigenen Geschirr die herrschaftlichen Dienste leisten, Kalk- und Frondienste einbegriffen, hüten die Kötner den ganzen Tag die Gemeindebrüche aus, ziehen mit ihrem Hornvieh, einzelne sogar mit Pferden in die Feldmark, hüten zwischen bestellten Feldern die Wege und das am Wege stehende Getreide ab. - Wir sehen, wie sich bei solchen Gelegenheiten der lang angestaute Ärger Luft machte.

1744 beschwerten sich zur Abwechslung auch einmal die Beiwohner über die Heraufsetzung des Holzgeldes für ein Fuder auf 24 Mariengroschen. Die meisten haben nicht das liebe Brot, müssen Beiwohnergeld zahlen (jährlich l Reichstaler), können keine Kuh halten, zahlen aber eine Gebühr für die Ziegenhaltung; sie möchten wie bisher 6 Mgr. für ein Fuder Holz zahlen. Über den Entscheid werden sie nicht böse gewesen sein, denn nun erhielten sie auch das bisher vorenthaltene Gabeholz zugewiesen, wenn sie gleich den halben Kötnern drei Malter Holz hauten.

In der Bewirtschaftung der Gemarkung hielt man lange Zeit an den herkömmlichen Grundsätzen fest. Nach Einführung des Kleeanbaues gelangte man zur Dreifelderwirtschaft. Nach Auflösung von Reckenen und Audaxen zogen die Bewohner zum größten Teil nach Wethen und gliederten sich dort in den bestehenden Flurzwang ein. Das Saalbuch von 1687 nennt als Teile der Flur das Hessebühl-, das Nehl-, das Berg-Feld.

In jedem dieser Teile hatten Ackerleute und Kötner ihren Anteil, der fast auf den Morgen genau übereinstimmte. In jedem Jahre mußte zwischen Sommer- und Winterfrucht und Brache gewechselt werden.

Das Ende des Ackerlandes haben wir damals nach Süden mit den Brüchen und im Westen an der "kurzen Wanne"(Nr. 17) beim Hessebühlfelde zu sehen, beim Bergfelde ergab es sich von selbst durch die Landesgrenze an der "krummen Wanne"(Nr. 108) und ebenso natürlich war der Abschluß des Nehlfeldes durch "Nehlbusch" und den Berghang "Am Asseler Berg"(Nr. l51 und 148) gegeben. So war das Dorf der im Mittelpunkt liegende Kern, an den sich das Ackerland schloß, und dahinter lagen Hute und Wald. Die Lage der Wiesen ist unverändert geblieben und hat sich auch in der Größe kaum gewandelt, nur das Verhältnis von Ackerland und Wiesen hat sich durch Rodungen grundlegend verschoben. Es betrug
1687 10 : l, Ackerland 396 ha, Wiese 37,5 ha, Hute ?
1959 14 : l, Ackerland 566 ha, Wiese 42 ha, Weiden 125 ha.

Seit Jahrhunderten wird als wichtigste Getreideart Weizen genannt, wofür die Gemarkung einen vorzüglichen Boden hat; er liefert auch meistens eine sichere Ernte. Roggen und Hafer folgen etwa zu gleichen Teilen. Die Flurbezeichnungen "Auf dem Kerbelfelde" (Nr. l37), "Unter dem Hopfenberge", "Auf dem Hopfenberge" (Nr. 103/4), "Die Mohngärten" (Nr. 191), "Das Dinkelfeld" (Flurbezeichnung wurde wieder fallen gelassen) weisen auf vorübergehenden Anbau dieser Arten hin. Sommersamen und Flachs mußten selbstverständlich angebaut werden und fügten sich ein. "Am Brombeerberge" (Nr. 118) und "Auf dem Schafrücken" (Nr. 115) sagen uns noch, wie wenig dort mit feldmäßigem Anbau auszurichten war.

Im Norden lagen der tiefgründige Boden der Asseler Mark und ihre Hute vor der Tür. Es ist zu verstehen, daß man mit aller Hartnäckigkeit jahrhundertelang daran festhielt. Die Zeit der Gegenreformation im Bistum Paderborn richtete auch in dieser Beziehung Schranken auf, die vordem nicht vorhanden waren. In den Kammerakten finden wir eine Eingabe vom Jahre 1615: Die Gemeinde Wethen hat seit Jahrhunderten die Hude von Ossendorf mit denen treulich gebraucht, die wollen sie jetzt aber nicht mehr darauf leiden. Die Dorfschaft bittet die gn. Frau, dafür einzutreten, daß der Gebrauch bleibt und die geschützt werden. Ob das Wort der Gräfin einen guten Ort fand, ob sie die alten Rechte zu wahren wußte oder ob sich die Gemeinde selbst half, ist nicht ersichtlich. Noch im Jahre 1686 war sich das Warburger Gogericht durchaus nicht seiner Sache sicher und erbat Weisung von Paderborn, als der Kuhhirt von Wethen im Sommerstoppel zu Asseln gehütet hatte und deswegen in eine Strafe von 3 Rt. genommen war (Warburger Ratsakten X, l). Nach Angabe von Wethen - so berichtet der Amtmann von Rhoden, an den sich der Rat um Vermittlung gebeten hatte - soll die Hute, wenn auch auf Paderborner Hoheit gelegen, von undenklichen Jahren unbestritten hergebracht sein. Doch alle diese Hinweise konnten Warburgs Besitzrechte nicht schmälern und entkräften. Es bedurfte nicht kriegerischer Kampfhandlungen wie ehemals, um zu zeigen, wer hier die Macht habe. Zwar ließ Warburg 1557 ein neues Tor an der Asseler Burg anbringen, ließ auch noch einmal 1765 die Böller krachen, aber das war ein freudiger und friedlicher Anlaß: der Fürstbischof von Paderborn besuchte als früherer Lehnsherr die Burg und wurde dort von der Stadt begrüßt und bewirtet. Wann Wethen sein Huterecht in Asseln endgültig als verloren ansehen mußte, konnte an Hand der Akten nicht festgestellt werden. Die Statistik von 1858 weiß nur vom Huterecht zu berichten, das
a) auf dem Quastfelde mit der Domäne Laubach,
b) auf dem Schwalefelde mit der Domäne Laubach, der Stadt Rhoden und der Gemeinde Dehausen,
c) auf dem Diemelgrund in der Gemarkung Germete mit dieser Gemeinde ausgeübt wird, und zwar im Herbst, nachdem die Felder abgeerntet sind. Im Sommer wird nur auf den Gemeinde-Huteplätzen der eigenen Gemarkung gehütet (1858).

Mit größerem Glück konnte die Gemeinde Rimbeck ihre Huterechte gegen Warburg verteidigen (Mitteilung von Lehrer W. Deist): Im Jahre 1858 brach ein Prozeß zwischen Rimbeck und Warburg aus. In der Rimbecker Gemeindechronik heißt es: "In diesem Jahr hat sich ein Prozeß zwischen der Stadt Warburg wegen der Hudegerechtsame des Asseler Bruches und der Asseler Wiesen entwickelt. Die Warburger wollten uns davon abweisen. Wir haben uns dagegen gerichtlich gewendet. Es wurde uns aufgegeben, wir sollten achtzigjähriges Beweistum dagegen abgeben. Zum Glücke fanden sich noch zwei alte Männer in dieser Gemeinde, welche bereits neunzig Jahre alt waren. Diese konnten genau Auskunft darüber geben. Die Namen derselben sind Bernhard Wulf und Johann Haurand, welche durch einen gerichtlichen Assessor sind zum ewigen Gedächtnis beeidigt worden, wobei wir jetzt gewonnen, daß uns die Stadt Warburg die Hude nie wieder abnehmen kann".

Auf ähnliche Weise war schon einmal die Berechtigung der Malsburger Ansprüche in Wethen untersucht worden: am 24. Nov. 1651 berichtet Jaspar Wetekam, über 85 Jahre alt, daß er nichts wisse von einem Bedehof, welchen die von der Malsburg gehabt hätten. Ein Viertel Zehnten hätten die von Papenheimb zu Liebenau ungefähr 4, 5 oder 6 Malter gehabt in dem Hardehausischen Zehnten und vom Kloster drei Teile bekommen; von den vier Huflandes Wiesen wisse er nichts. Eine solche Befragung der über 85 Jahre alten Männer des Ortes konnte Gewohnheitsrecht begründen.

Einen wesentlichen Bestandteil der bäuerlichen Viehhaltung bildete ehemals die Schafzucht, weil neben der Hute auch die im dritten Jahr des Fruchtwechsels brach liegende Feldflur teilweise genutzt wurde; außerdem war der Pfirch begehrt, da der natürliche Dung infolge des geringen Strohanfalls nicht reichte. Die Schäfereigerechtsame stand vor hundert Jahren 37 Grundbesitzern zu, vor 300 Jahren gar nur 12. Diese wachten sorgfältig über jede Minderung ihres Rechts. 1604 beschwert sich Pfarrer Werner Genten der Jüngere, Richter und Vorsteher der Gemeinde hätten seinen Antrag auf Aufnahme in die Pfirchgemeinschaft abgelehnt. Wenn seine Vorgänger sie nicht brauchten oder nicht am Ort wohnten, ist nicht einzusehen, weshalb er sie nicht haben solle; kein Schriftstück besage das Gegenteil. Anscheinend ist diese Begründung fur die Aufnahme entscheidend gewesen, denn 1672 ist der späätere Pfarrer einer der 12 Schafhalter, der die Aufnahme von zwei Kötnern ablehnte; durch eine Buße von 12 Talern zwang allerdings die Kammer die Ackerleute dazu. Vor 100 Jahren gingen drei Herden Schafe: zur ersten und zweiten gehörten je 12 Berechtigte mit 240 Schafen und zur dritten 13 Grundbesitzer mit 210 Stück. Jeder hielt seither so viele Schafe, wie er durchwintern konnte. Der Wandel in der Bewirtschaftung des Ackerlandes, die Urbarmachung des Ödlandes wie die billige Wolle des Auslandes riefen um die Jahrhundertwende den außerordentlichen Rückgang der Schafzucht hervor.

Wenn im Herbst Eichen und Buchen eine gute Tracht brachten, trieb der "Schwein" die Herde in den Quast zur Mast. Einen Anspruch auf Mastgerechtsame hatte die Gemeinde nicht. Wurde ein bestimmter Teil des Forstes, in dem nicht all zu großer Schaden zu erwarten war, zum Trieb eingeräumt, mußte ein besonderes Mastgeld bezahlt werden. 1615 bewilligte der Graf dem Pfarrer die Vergünstigung, vier Schweine mastfrei zu halten, auch weiterhin.

Die Abgaben und Dienste wie die Art der Bewirtschaftung und Nutzung der Flur haben sich vom frühen Mittelalter her im Laufe der Jahrhunderte entwickelt und bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts ziemlich unverändert erhalten. Für die Pflichtigen war es belanglos, ob ein Graf von Waldeck das Dorf oder einen Teil davon zeitweise versetzte (verpfändete) oder ob die beiden Rhodener Amtleute Justus Budeus und Jacob Linden 1570 die Meyer teilen und mit der Erhebung der Heuer an Frau Anna und Graf Philipp jährlich wechselten; die Abgaben blieben dieselben. Sorgen und Not entstanden durch die Fehden der Ritter und Landesherren wie durch Dürre, Mißwachs und Seuchen. Sie trieben die Menschen zum Verlassen kleinerer Siedlungen; denn die wenigen überlebenden konnten nicht die auf dem Grund und Boden ruhenden Abgaben aufbringen und sich auch nicht gegen streifende Landsknechte wehren. Wir sind oft geneigt, die Kriege und Kriegszeiten für den Niedergang der Dörfer und Güter verantwortlich zu machen. Das trifft nur bei langdauernden Kriegen zu, wir können damit nicht die vielen Verschuldungen erklären, die z.B. aus den zwei bis drei Jahrzehnten v o r dem Dreißigjährigen Kriege durch die erhalten gebliebenen "Obligationen" nachzuweisen sind. Die Klage des Dorfrichters Thomas Warverß (Warburg) vom Jahre 1609 steht durchaus nicht vereinzelt: Er lieh u.a.vor vielen Jahren Weilandt dem Mäcken 45 Rtlr. Vor drei Jahren wurde nach dessen Tode und großer Schuldenlast das Gut auf 600 Rtlr. abgeschätzt, dafür übernahm es der verstorbene Henrich Cramer. Dessen Witwe verheiratete sich vor zwei Jahren mit Johann Schmelzer. Weder der eine noch der andere zahlte. Nun hat "ein böser Bube" Warburgs Haus angesteckt, die Früchte verbrannten. Der Richter muß bauen und zu seinem Geld kommen, alle Mahnungen sind bisher ergebnislos verlaufen. Man gewinnt in diesem wie auch anderen Fällen den Eindruck, daß die Inhaber der Güter nicht zahlen können. Teilweise gehen die Witwen und Kinder ihres Erbteils verlustig - auch der Familie Warburg blieb dies bittere Los nicht erspart - und dann wurde das Gut anderweitig vermeiert.

Weit schlimmer als der Beginn des 17. Jahrhunderts wurde sein weiterer Verlauf durch den Dreißigjährigen Krieg. Er kündigt sich durch größere Unsicherheit und Unduldsamkeit an. Henrich Cramer, Ingesessener zu Wethen, bittet den Grafen, ihm Geleit zu stellen; Nathan Leifferdt zu Germete klagt 1618 beim Amtmann zum Dringenberg, Peter Johann zu Wethen habe ihm vor zwei Jahren ein Pferd entführt, zu Volkmarsen verkauft und auf freier Straße überfallen, auf den Tod verwundet und nun vor 14 Tagen zu Warburg in der Hüfte erneut bedroht; am 20.März 1623 meldet Christoffer von Haxthausen, Inhaber des adeligen Gutes in Welda, Melchior Warburg, den er seit Jahren als reisigen Knecht beschäftigte, ist in Scherffe ganz jämmerlich ums Leben gebracht, die Witwe lebt mit etlichen unmündigen Kindern in großer Armut. Um jene Zeit hatte der Krieg unsere Gegend noch nicht berührt, er griff erst in diesem Jahr nach Norddeutschland über. Wie im Märchen der Tod vor seinem Kommen die Krankheiten als Boten ausschickt, so sandte der 30jährige Krieg auch diese Boten vor sich her. Und er hielt noch einen bereit, der schneller als die Heere war, ihnen voraus eilte, den man fürchtete "wie die Pest": sie selbst. Schon mehrfach hatte sie in den vergangenen Jahrhunderten die Bevölkerung nicht nur dezimiert sondern gevierteilt, ja gedrittelt. 1623 übersteigt die Zahl der Todesfälle mit 19 den jährlichen Durchschnitt um ein Vielfaches. Wir dürfen hier die ersten Pestfälle annehmen, wenn sie ausdrücklich auch erst im Jahre 1625 genannt wird und 1636 bei 40 Todesfällen - in den beiden Jahren vorher nur je 4 - mit aller Kraft zuschlägt. Der zweite Teil des 30jährigen Krieges bis zum Lübecker Frieden 1629 ging ohne besondere Einbußen hin. Die eigentlichen Schwierigkeiten und Drangsale begannen im Jahre 1632, als die schnellen Truppenbewegungen und Siege der Schweden die Gegner zum äußersten Widerstand trieben. Schon zur Zeit der Gegenreformation unter Bischof Dietrich von Fürstenberg (1585-1618) war eine Versteifung der religiösen Gegensätze zwischen Paderborn und Waldeck eingetreten. Sie verstärkten sich nach dem Lübecker Frieden und dem Erlaß des Restitutionsedikts. Auf die Beschwerde der "Untertanen zu Wethen, daß die Paderbornischen Untertanen Freundlichkeit mit Tätlichkeit vergelten, ihr Vieh mitnehmen", wird dem Amtsschreiber in Rhoden von der Kanzlei befohlen (20.11.1632, 14 Tage vorher siegten die Schweden bei Lützen und verloren ihren König Gustav Adolf), in einem erneuten Fall "durch den Glockenschlag in Stadt und Dörfern die Untertanen aufzufordern, sich gegen unbillige Härte zu schützen". Wie weit schon die Not um sich griff, zeigt eine Aufstellung der Restanten für die Jahre 1632/33:

Melchior Raben Rel.(Witwe) hat nichts als ein wüst verfallen hütgen, die Ländereien liegen öde und wüst, der Mann ist erschossen vor zwei Jahren.
Werner Faust hat 16 Morgen mit Roggen besamt.
Henrich Warburgs, der Richter, sagt, die Schuld wäre meist von Hühnern und Eiern her, die die Untertanen in den beiden letzten Jahren nicht zahlen konnten.
Jost Prangen Rel., das Haus und Gut liegen wüst, die Kinder gehen betteln
Thias Heldes hat nicht eine Hand voll ausgesät,
Adam Beckers Rel. geht betteln, das Land liegt wüste.
Johann Brunsheimbs Rel. das Haus ist abgebrannt, hat drei arme Kinder, die Güter liegen wüst,
Hermann Contzen, eine wittib, verarmet, hat nichts, die Güter liegen wüst
Johann Peters liegt wüst,
Berndt Schneiders, eine arme wittib, bettelt
Melchior Pfennigs Rel. ist durch einen Arm geschossen, bettelt,
Dietrich vom Hoff will künftig bezahlen
Henrich Maneken hat 2 Morgen Hafer ausgestellt,
Hildebrand Klein hat 5 Morgen mit Roggen ausgestellt,
Henrich Weilandt, ein Schmidt, dem all sein Werkzeug genommen,
Jost Fausts hat 3 oder 4 Morgen mit Roggen besamet,
Johann Brilon Rel. hat Haus und Güter öde und wüst liegen lassen, geht betteln,
Hermann Papen wird bezahlen,
Tönges Reinlandt, ein Schmied, ist von seinem Spieker weggegangen, mit dem Weib!!,
Johann Pfennigs Rel. geht betteln.

Ganz Wethen liefert von 6 Ackerleuten 10 Fuder Getreide an das Amt Rhoden. Das ist ein trauriger Stand für das Dorf und eine bedrückende und beängstigende Nachricht für die gräfliche Kanzlei. Amtmann Conrad Engelhard kann auf eine Anfrage nur berichten: "...dieselbe Klage führen alle die Untertanen dieser beiden Ämter (Rhoden und Eilhausen), sintemalen keiner seine Roggenheuer bezahlen können, und ob ich zwar allen in die Häuser gegangen, nachdem sie das Feld wieder besamet, so habe ich ihren Unterhalt, davon sie leben, nicht empfinden können... wird der Hochgeborene Graf und Herr den armen Untertanen davon in Gnaden etwas nachlassen (26.2.1634)". Ja, die armen Untertanen meinten, schlimmer könne es nicht mehr kommen, und dabei standen sie erst am Anfang der Müh- und Drangsal.

Die weiteren Jahre brachten Einquartierungen der Truppen von beiden Seiten. Längst wurden die Landesgrenzen nicht mehr beachtet. Katholische wie protestantische Heere zogen durch Waldeck und Paderborn, die Verbände der Warburger und Marsberger Garnison requirierten Lebens- und Futtermittel in den Dörfern ringsum, die Soldaten brandschatzten und plünderten nach Herzenslust. Nur bei besonderen Anlässen nimmt der Pfarrer die Gelegenheit wahr, im 1. Kirchenbuch auf die Gefahren hinzuweisen:

1632 28.6. Bernhard Klemhyst im Kriegstumult begraben,
1634 20.3.Tiggesams Sohn Curt von Mördern und Streifen in den Hesseln ertappt und vor Ossendorf erschossen und daselbst begraben,
28.9.die alte Gerckische begraben, als eine Armee Hessen Kriegsvolk über die lange Brücke und ein Regiment auf Rhoden zu marschierte,
1636 3.7. Tönges Mocken zu Rhoden gestorben und daselbst in der Stadt auf dem Kirchhof begraben, weil man wegen der Hessischen und Schwedischen, so vor dem Stadtberge (Marsberg) gewesen nach Alten Rhoden (wo sonst beerdigt wurde) nicht hat kommen können.
27.7. Tiggesams Balthasar zu Wethen von der kaiserlichen Partei in des Tauschhöbers Keller geschossen und gestochen, nach Rhoden geführet und daselbst gestorben,
31.7. Henrich Wetekams Söhnlein Henrich und Tönges Reinlands Töchterlein Elsa zu Rhoden vor der Pforte in einer Scheune gestorben und nach Alten Rhoden begr.,
1637 26.4. Maniken Ursula gestorben und weil damals das kaiserliche Kriegsvolk eingefallen, hat sie ihr Bruder ... müssen in die Erde setzen,
1642 8.1. Lips Niggemeyer vff diß seit Borgentreich vff der vmbkehr von Beberungen von einer Parthei erschoßen, den 9. zu Wethen begraben.

Noch viele solche Beispiele ließen sich anführen. Wenn die Soldaten zu arg hausten, flohen Frauen und Kinder, oft auch ganze Familien nach Rhoden oder Warburg und hielten sich Wochen oder Monate hinter den festen Mauern der Städte auf.

Wie oft das geschah, wissen wir nicht, nur die Eintragungen der Geburten und Todesfälle melden davon. Um wenigstens kleineren Gruppen streifender Soldaten -gegen größere kam man nicht an- den Zugang ins Waldeckische zu wehren, lagerten Mitte Mai 1637 30 Schützen aus Rhoden am Germeter Teich. Welche Aufregung muß im Dorfe entstanden sein, als bekannt wurde, ein Verräter aus Wethen hat den Aufenthalt der Pferde verraten und eine Partei hat 15 mitgenommen. Amtsschreiber Schmalkalder meldete den Vorfall dem Grafen, und dessen Kanzlei forderte sofort die Auslieferung beim Paderbornischen Landdrost, damit er nach Landesrecht abgeurteilt werden könne. Landdrost Martin Streicher sagt die Auslieferung zu; zwischen Germete und Wethen könne der Verräter in Empfang genommen werden. Ob die Ackerleute auch zu ihren Pferden kamen, erfahren wir nicht. Von Jahr zu Jahr kehren die Bitten der Einwohner an den Grafen um Erlaß der Steuern und Abgaben wieder: 29.8.1636 Sämtliche bedrängte Richter und Vorsteher des Amts Rhoden erinnern an den erbärmlichen Zustand in den entlaufenen fünf Jahren auch im angrenzenden Kur- und Fürstentum. Durch tägliche und nächtliche Einfälle wurden Vieh und Barschaft weggenommen. Regimentsweise verdarben die lieben Früchte in Feld und Häusern, sie wurden zertreten und zunichte gemacht, das wenigste Land ausgestellt, durch die Contaviosseuche stark angeklopfet. Der Graf möge die fünfjährigen Früchte und Gelder Schwinden und fallen lassen.

28.9.1637 bitten Richter und Vorsteher zu Wethen, der Graf wolle dem Amtsschreiber befehlen, die von seinem Vorgänger übernommenen und nun neu geforderten 10 Rtlr. von "armen verdorbenen Leuten" im Gnadenwege zu erlassen. Der Entscheid des Grafen Wolrad vom 19.12.1637 lautet: "Da keine Hoffnung ist, weder jetzt noch künftig zu erheben, nachzulassen... Wo aber noch etwas zu hoffen, unter den Restanten nachführen und künftig sich liefern lassen".

Ihnen schließen sich die anderen Dörfer des Amts Rhoden an, gemeinsam bitten sie um Erlaß der Heuer: "wegen viel erlittener Tranksal, schwerer Durchzug, Einlogierung, Beraubung unserer Pferde ob streuffend partey, später Ausspannung und frühzeitiger Reife wir in höchst Verderb gesetzet worden. Einquartierung und Feuersbrunst unserer wenigen eingesammelten Kornfrüchte so sehr verwüstet, ausgedroschen, verfüttert und weggeführt worden, daß kein einziger Mann mehr in diesen Dörfern das in diesem Jahr über von seinen Früchten das Brotkorn haben kann."

30.6.1640 bittet die Dorfschaft Wethen den Grafen wegen erlittenen Schadens, den sie infolge militärischer Exekution der Ohrischen am 28.Okt.1639 für das ganze Land auf sich nehmen mußte, um Ersatz.

17.3.1648 Die Ackerleute Tigges und Henrich Wetekam erinnern, daß Rittmeister Baumgarten vor fünf Wochen den Untertanen 6 Pferde abgenommen hat. Sie bitten den Grafen um Schutz.

So lag das Dorf den Zugriffen der Soldaten und Marodebrüdern völlig offen und war ihrer Willkür preisgegeben. Die wenigen noch vorhandenen Pferde mußte man hüten wie einen Augapfel. Die Klagen, daß die Einwohner infolge vielfacher Plünderung arm geworden sind und betteln, ihr täglich Brot bei anderen suchen müssen (bei wem?), ihren Acker nicht mehr bestellen können, weil weder Zugvieh noch Saatkorn zur Verfügung stehen, wiederholen sich ständig. Die Männer haben zu Hause keine Arbeit und gehen teilweise in den Krieg. Wenn sie nach Jahren nicht zurückgekehrt sind, bitten Frauen und Verlobte um die Genehmigung der Heirat: wenn"itzo ein fromb gesell" sich bei ihr angibt und sich mit ihr ehelich einlassen will, ist sie bereit. Schwere Zeiten hatten die Frauen zu überstehen, alle Arbeiten lagen auf ihren Schultern und in ihren Händen. Gut und Familie bedurften wieder der männlichen Kraft und Führung. Frau und Kinder konnten nur notdürftig wirtschaften, aber keine Aus- und Verbesserungen in Haus und Wirtschaft vornehmen. Nun mußten verschiedene Familien wegen der großen Schuldenlast trotz aller Anstrengungen Konkurs anmelden, die Güter verlassen und davon ziehen. Wie sahen die Häuser aus! Seit Jahrzehnten waren sie nicht ausgebessert. Für wen sollte man etwas instand setzen! Kamen Soldaten ins Dorf, suchten sie selbstverständlich sofort das wohlhabendste Gebäude auf. Niemand zog sich freiwillig ungebetene Gäste ins Haus. Und erst die Felder! Nur in der Nähe des Dorfes bestellte man das Land, um notfalls schnell hinein zu flüchten oder Hilfe zu bringen. Das übrige Land war Driesch geworden, auf dem Unkraut und Gebüsch wuchs. Als endlich im Oktober 1648 die Friedensglocken läuteten, wußten nur die alten Leute von den "guten Zeiten" der Vorkriegszeit zu erzählen. Was bedeutete nun Frieden? Die Schindereien durch die Soldaten hörten auf. Streitigkeiten gab es weiter: am 27.Feb. 1650 bittet die Gemeinde um Erlaß des Dienstgeldes. Im vergangenen Jahre haben die Warburger wegen der Beverunger Reise zu Borgentreich von Wethen sechs und von Wrexen acht Pferde gepfändet; die Futterkosten für die 6 Pferde betragen 7 Rtlr. Welche Mühe kostete es, Haus und Hof, Feld und Wiese neben den wöchentlich zu leistenden Diensten wieder in einen erträglichen Zustand zu bringen! Und alles mußte aus eigener Kraft erfolgen, weder Staat noch Gemeinde konnten helfen, sie bedurften selbst der Hilfe. Erstaunlicherweise hat sich die Zahl der Einwohner wahrend des Krieges fast gehalten; den 350 Gestorbenen stehen 321 Geborene gegenüber. Der Lebenswille der Bevölkerung ist ungebrochen. Eine Aufstellung vom Jahre 1654 ist recht aufschlußreich für den nördlichen Teil unseres Kreises; danach hatte

Wethen

Amt Rhoden
(4 Dörfer)

Amt Eilhausen
(4 Dörfer)

Eheleute

34

100

91

Witwen

3

5

7

Kinder

123

325

280

Knechte

14

27

9

Mägde

7

13

11

Pferde

83

203

106

Ochsen

3

5

18

Kühe

97

258

188

Rinder

67

162

130

Schafe

532

1103

308

Schweine

230

398

217

Die nächsten Jahrzehnte standen im Zeichen langsamen Aufstiegs. Gelegentlich kommen Klagen über Minderung des Ertrags an Feldfrüchten durch Dürre(1676), durchziehende Truppen (1676 Gottwitzische Regiment, 1734 dänische Soldaten). Mehrere Schmiede sind im Dorfe tätig; ihre Zahl übersteigt die Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Betriebe.
Infolge des Krieges hatten sich die Besitzverhältnisse vielfach verschoben. Güter waren zusammengelegt und geteilt, die Gewanne in der Flur z.T.nicht mehr erkennbar. Die gräfliche Kammer gab den Auftrag, neue Kataster aufzustellen. Das älteste erhalten gebliebene Saalbuch stammt aus dem Jahre 1687. Es enthält eine genaue Aufstellung über die Lage der Häuser im Ort und über die Größe der landwirtschaftlichen Fläche und deren Verteilung in der Gemarkung. Ein früheres Register über die Aufteilung in Ackerleute und Kötner und deren Abgaben an die Kirche vom Jahre 1614 bewahrt die Pfarre auf. Mit diesen Unterlagen konnte die auf Seite 54 (im Original des Ortsippenbuches) stehende Besitzfolge zusammengestellt werden.
In der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts waren die durch den 30jährigen Krieg entstandenen Verluste wieder aufgeholt. Die jungen Männer hatten schon vorher (1676 ff.) als zweite und dritte Söhne unter waldeckischen Grafen Dienste in Holland angenommen. Nach der Aufstellung eines "Regiments Waldeck" für die Niederlande nach 1735 gehen sie in größerer Zahl in die Fremde und kämpfen für die batavische Republik in Niederländisch-Indien und den Generalstaaten, für Großbritannien in Amerika und Spanien. Ein Dutzend Freiwilliger verzeichnet die Liste des Regiments Waldeck aus Wethen von 1735-1762; von ihnen werden zwei als Schneider, einer als Schuster und einer als Schmied geführt. Drei Soldaten verlieren 1786-1789 ihr Leben in Spanien; wieviel anderswo geblieben sind, meldet keine Chronik. Einige fanden auch den Weg wieder zurück ins Dorf, wo sie eine magere Rente des fremden Landes verzehren und von ihren Erlebnissen berichten konnten. 1765 wird ein auf kaiserlicher Werbung hierselbst liegender Sergeant im Kirchenbuch genannt, 1769 hatte ein auf Werbung in Ossendorf liegender Sergeant schon so gute Verbindung angeknüpft, daß er als Pate in Wethen genommen wurde. Auch sie werden ihre Schäflein gefunden haben, der eine für die Kaiserin Maria Theresia, der andere für ihren Gegner, den Großen Friedrich, obwohl der Siebenjährige Krieg schon längst überstanden war. Soldaten müssen eben sein.
In diesen Jahrzehnten traten zu den bekannten Gewerben der Schmiede, Schuhmacher, Schneider und Schreiner, Zimmerleute und Maurer einige ortsfremde:
1721 Matthias Heine: Leineweber und Trillmacher,
1726 Jost Conrad Heine: Weber,
1757 hatte sich Johann Ebers geraume Zeit hier aufgehalten und hat Tücher gedruckt,
1742 wird Johannes Wilhelm Krantz als Marchand (Händler) bezeichnet, ihm folgt
1758 Johannes Lorentz Bindernagel, hat einige Jahre hier im Waldeckischen Handel geführt mit Tee, Zucker, Zitronen, Caffee und Toback,
1?80 betätigte sich Johann Henrich Knost als Hutmacher
1746 drang der Ruf des Jägers Börner gar bis nach Korbach, so daß ein 26jähriger Schuhmachermeister mit einem großen Geschwür am Hals zur Kur kam. Doch kam er zu spät: er ,,hat die Schuld der Natur alhier bezahlet (d.h.er starb) und ist begraben".
Die Stelle des Jägers bestand etwa 200 Jahre hier, zeitweise versah sie der Forstschreiber der Amter Rhoden und Eilhausen, Oxenius. Die neuartige Bezeichnung blieb als Hausname.
1776 nahm 40 Jahre lang Amtsmusicus Anton Ahlbracht seinen Wohnsitz hier. Ob er verantwortlich ist für die Musikbegeisterung der Nachfahren?
In all den Jahrhunderten wird kein Fischer in Wethen genannt,obwohl die Nachbarorte diesen Beruf kannten und die Diemel vor 100 Jahren reich an Weißfischen, Hechten und Aalen gewesen sein soll. Die Warburger hatten ihre Bedenken und wollten die Waldecker fern halten. Als der beim Landschnade- und Grenzgang 1588 "bober Germbte ahn der Suedseiten des Diemelstrohms" gesetzte Schnadestein durch den Fluß verflößet war, wurde bei einem Gang am 20.7.1618 ein anderer auf die Nordseite der Diemel in Gegenwart des fürstlichen Beamten zum Dringenberg und des waldeckischen Vertreters gesetzt. Warburg befürchtete daraus Verwicklungen für Fischen und Hüten (Warburger Ratsakten IX,1). Vorher durften die Wethener nicht in der Diemel fischen, im Übertretungsfall wurden sie gepfändet. Nun bestehe die Gefahr, daß Waldeck die ganze Faust herein stecke, nachdem es jetzt mit einem Finger herein gegriffen hat. Man müsse "in ruhigem Einhaben" verhandeln und künftigem Unheil nicht die Tür öffnen. Der Paderborner Kanzler möge in gutnachbarlicher und erbaulicher Friedfertigkeit die Angelegenheit mit Waldeck regeln. Für Wethen wurde nicht der Grenzstein ein Stein des Anstoßes, sondern die Diemel selbst. Wer sie heute in ihrem gebändigtem Bett so ruhig dahin fließen sieht, glaubt kaum, daß sie schon so viele Todesopfer gefordert hat. Es scheint geradezu, als sei das Wasser den Bewohnern Wethens das feindliche Element, wenn auch durch einen Dorfbrand im Jahre 1783 das Feuer einmal fünf Hauser einäscherte. Lassen wir die Kirchenbücher sprechen:

1635 10.Aug. Adam Nercken Söhnlein Melchior Buickhelle ertrunken, 7 Jahre alt

1650 Dominica Reminiscere vff den warburgischen Marckt, Krug Johan von Germete u.seine fraw, mit einem Pferde von der Germeter Brücke in die Diemel gefallen u. versoffen, des andern Tageß bei der Johannes Mühle widerfunden, u. nacher Germete geführet.

1655 2.Juni Henrich Metten Sohn Henrich, zu Roden vf dem Schloß in Brun gefallen v. Todt blieben, den 3 Juni vff Pfingsten alhier begraben; 10 1/2 Jahre alt

1679 13.May ist Maria Schäfers des Salpeters Tochter in den Brunnen gefallen bei Volquin Krantzes Hause, v. todt herauß gezogen; 16 Jahre alt

1710 16. April ist Anna Margaretha Peter Waterfelds filia, da es die Schweine treiben helfen und wieder heim kehren wollen, in den obristen Brunnen bey der Niggemeyerin Haus, ohn das es jemand gesehen, gefallen und ertruncken, war der Charfreytag; 10 Jahre alt.

1743 18.April ist Catharina Elisabeth Tegethoffin aus Neudorff in Gesellschaft vier Haus-Leuten von eben demselben Ort nach Warburg geritten, um Saat daselbst zu holen; wie sie nun bey der retour in die Diemel kommt, fällt sie von dem Pferd herunter, und ist elendiglich im Wasser ertruncken; 21 Jahre

1755 19.Sept. ist des Seel. Johann Wilhelm Krantzes sein nachgelassenes Söhnlein Johannes Jeremias, welcher seinen Großvater Johann Henrich Neumeyer hat besuchen wollen, in der sogenannten Bück-Helle zwischen 10 u. 11 Uhr vormittages ach leyder! Zum größten Leidwesen der Anverwanten elendiglich ertrunken und um das Leben gekommen; alt 3 Jahr 2 Wochen 5 Tg.

1784 21.Sept. ist Henrich Wilhelm Rörigs Söhnlein Johann Friedrich, ein Kind von 7 Jahren, unglücklicher Weise auf Brachts Baum-Hofe in den mit keinem Geländer versehenen Brunnen, versoffen und zu Tode gekommen. Und ob gleich alle mögliche gewöhnliche Mittel zu seiner Wiederbelebung angewendet worden, so ist doch alles vergeblich gewesen.

1789 13.Feb. ertranken Johann Henrich Aßhauer und dessen Schwiegersohn Johann Henrich Heine, welche mit ihren, mit 6 Pfer den bespannten, Wagen von Warburg wieder zurück kamen, und etwas über der Johannis Mühle einem Wagen von Welda in der Diemel ausweichen wollten, die Pferde fand man noch an eben dem Tage, aber todt, mit ihrem Geschirr und Wagen wieder.

Am 17. wurde J.H. Aßhauer unter der Stadt bei der 2ten großen steinernen Brücke entdeckt, und am 22. in Warburg auf der Neustadt begraben. Von seinem Schwiegersohn weiß man aber bis iezt noch nichts.

Am 7.März wurde auch Johann Henrich Heine nicht weit unter der Johannis Mühle wieder gefunden, und den 9. in Warburg auf dem altenstädter Kirchhofe, bei Tage beerdigt.

Beide Städte Warburg haben sich übrigens, welches zu ihrem großen Ruhme gereicht, bei diesem traurigen Vorfalle recht christlich, menschenfreundlich und nachbarlich verhalten, und den Anverwandten der Verunglückten alle Kosten geschenkt; auch übrigens bei der Beerdigung der Ertrunkenen keine Rücksicht auf den Unterschied der Religion genommen. Ein recht herrliches Beispiel der Nachfolge für uns!

1809 3.Aug. ertrank Johann Henrich Dietrich in dem Gemeinde Teiche vor Wilhelm Neumeyers Hause, in der so genannten Bückhelle, 8 1/4 Jahr alt.

1852 11.Nov. ertrank in dem Teiche ihres Gartens außerhalb des Dorfes Wilhelmine Dietrich; 36 Jahre alt

1877 12.April verunglückte in der Diemel Carl Wilhelm Flamme und ertrank; 63 Jahre alt.

Im Siebenjährigen Kriege wurde die Warburger Gegend in den Jahren 1758-1762 häufig von beiden Parteien durchzogen. In der Stadt lagen monatelang Stäbe, Feldbäckereien, Proviantämter und Lazarette. Engländer und Franzosen, Hannoveraner und Hessen marschierten durch oder zurück. Auch die umliegenden Dörfer erhielten bei solchen Gelegenheiten ihre Einquartierung. In den Monaten Juni-Juli 1760 hielten sich beide Armeen in Hessen, Waldeck und dem Bistum Paderborn auf. Ende Juli lagen 30 000 Franzosen unter dem General Dumuy teils in Warburg, teils außerhalb zwischen Ossendorf und dem Desenberge. Die Soldaten mähten das grüne Getreide und verfütterten es mit den Pferden. Am 31 Juli rückten die Engländer von Bühne her in zwei Gruppen auf Warburg und Menne-Ossendorf mit braunschweigischen und hessischen Husaren siegreich vor. Der Erbprinz von Braunschweig schlug den französischen General, der vom Heinturm aus die Schlacht leitete und gewann 12 Kanonen und 1000 Gefangene. Die Zahl der Toten und Verwundeten schätzte man auf beiden Seiten auf 3000 Mann. Die Franzosen hielten sich noch einen Monat südlich der Diemel und zogen dann in Richtung Kassel ab. Außer der Eintragung "Auf Dom.19. post Trin. (das war im Oktober 1760) vom Heinberg bey der Warthe aus dem Hannoverischen Lager ein verstorbener Soldat auf dem Wagen hierher gebracht, und beerdigt, mit nahmen Kramer aus dem Sächsischen gebürtig" enthält das Kirchenbuch keine Nachricht. Auch in den beiden nächsten Jahren sind Einquartierungen und Durchmärsche wohl mehr durch die benachbarten westfälischen Orte gegangen.

Auch die Zeit Napoleons brachte Wethen keine kriegerischen Ereignisse. Im waldeckischen Regiment, das der Fürst als Verbündeter des Rheinbundes stellen mußte, werden unsere Landsleute nach Spanien und Rußland marschiert sein; Zahl und Namen sind nicht bekannt. Besondere wirtschaftliche Leistungen gingen jedoch nebenher. Um so bemerkenswerter ist daher die Errichtung des Kirchenschiffs im Jahre 1812.

Das 19. Jahrhundert ist für unsere ländlichen Gemeinden durch zwei Ereignisse gekennzeichnet: die Befreiung des Bauernstandes von Diensten und Zehnten und ferner die Zusammenlegung (Verkopplung) der Feldflur. Etwa ein Jahrzehnt nach den Befreiungskriegen waren die durch die Napoleonischen Kriege hervorgerufenen Notstände überwunden. Die Hoffnung auf eine lange Friedenszeit beflügelte die Menschen in ihrer Arbeit. Viele Männer waren als Soldaten in anderen europäischen Ländern gewesen, hatten andere Verhältnisse gesehen, und auch die daheim Gebliebenen erhielten Kenntnis durch sie oder durchziehende Truppen. Die freiheitlichen Gedanken der französischen Revolution fanden ihren Niederschlag in den Steinschen Reformen in Preußen und in Waldeck durch das Gesetz vom 24. Sept. 1851, durch das die Geschlossenheit der Bauerngüter aufgehoben wurde. Die Zahl der Ackergüter war bisher in gleicher Höhe geblieben, weil das Hufenland feststand und keine Erweiterung gestattete. Die Kötner hatten im 18. Jahrhundert durch Rodungen sowohl ihren Besitz wie auch ihre Zahl vermehrt; manche stiegen aus dem Stand der Beiwohner in den der Kötner auf. Damit erklären wir das Anwachsen der Geburtenzahl von 1750-60 und von 1790-1810 (siehe Zeichnung S. 66 im Original des Ortssippenbuches). Die Zahl der Familienangehörigen und der Knechte und Mägde in den Bauerngütern blieb, da sich die Bewirtschaftung nicht änderte, in gleicher Höhe bestehen. Die halben Kötner und Beiwohner, die nun den Zuwachs brachten, waren zunächst auf eine landwirtschaftliche Arbeitsstätte angewiesen, erst im 19. Jahrhundert folgten gewerbliche in Wethen und Umgegend.

Die nachfolgende Zusammenstellung zeigt die Veränderung im Laufe der vierhundert Jahre:
  1557 1625 1654 1687 1857 1959
Vollmeier

12

12

11

10

11

15

½ Spänner (mittlere Betriebe)

4

4

5

6

8

14

(Zwischensumme große Betriebe)

(16)

(16)

(16)

(16)

(19)

(29)

Kötner (kleine Betriebe)

19

25

26

28

17

13

 Summe 

35

41

42

44

36

52

Beiwohner (landwirtschaftliche Nebenbetriebe)      

24

 

45

insgesamt      

68

 

97

 

(bis hierher bearbeitet, im Original Seite 45)


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Dieser Auszug aus Waldecksche Ortssippenbücher
Band 8 / Wethen wurde veröffentlicht auf http://www.wethen.de