"Geschichten aus Wethen"
Am Ostersonntag, dem 1. April 1945, war der Zweite Weltkrieg auch in dem kleinen Dorf Wethen zu Ende. Einen Tag vorher waren die Amerikaner einmarschiert. Dadurch mussten die anstehenden Konfirmationen verschoben werden. Auguste Striepeke (Tante Guste), damals 19 Jahre alt, erinnert an die Geschehnisse. Auch ihr Mann, Alfred Striepeke, kann aus Erzählungen berichten, er selbst war als Soldat an der Front. "Ich sollte nach Losekamps gehen und noch ein Brot holen, als ich ein Grummeln hörte. Unser Nachbar erklärte mir, der Amerikaner stehe kurz vor Rhoden. Da bin ich nach Hause und wir haben angefangen, Waffeln zu backen, so viele, dass alle in der Strasse noch welche bekommen haben", so die heute 79-jährige. "Klein Williken sollte die SS-Männer aus dem Dorf bringen, aber dann kam einer aus Warburg, der die Verteidigung befohlen hat. Sie sollten im Quast Stellung beziehen und die Amerikaner beobachten." Doch der Quast, jener Höhenzug zwischen Diemelstadt-Rhoden und Wethen, war schon besetzt. "Dann sind die zurück gekommen und haben sich im Dorf verteilt und verschanzt. Kurz darauf sind zwei angeschossene Kühe mit Deichsel, aber ohne Wagen, von Rhoden runter gerannt - durch das Dorf und fast bis zur Diemel, und die haben gebrüllt wie am Spieß. Und dann kamen auch schon die amerikanischen Panzer." In einigen Häusern hingen zu dem Zeitpunkt weiße Bettlaken, und so fuhren amerikanische Panzerspähwagen durch den Ort. "Den ersten haben die SS-Männer noch durchgelassen, aber den zweiten und dritten haben sie dann mit Panzerfäusten zerschossen ", so Alfred Striepeke. "Daraufhin haben die Amerikaner das Dorf eingekreist und beschossen. Wir sind dann alle zu Thönen in den Keller gerannt", erinnert sich Tante Guste. "Von dort hörten wir dann die Schüsse und Granateinschläge im Dorf. Auch das Thönen-Haus wurde getroffen, und Thönen Junge ist dann nach oben und hat nachgesehen. Der Dachbalken habe etwas gequalmt und ein paar Fenster seien kaputt, erzählte er, als er wiederkam." Insgesamt sind zehn Häuser im Dorf getroffen und abgebrannt, darunter auch "die Bude", wie die Festhalle genannt wurde sowie mehrere Werkstätten, Stallungen und Scheunen. "Nach einer Stunde war der Beschuss dann vorbei, wir haben aber trotzdem noch im Keller gewartet - und plötzlich standen amerikanische Soldaten vor uns und haben nach deutschen Soldaten gesucht." Ein Kriegsgefangener im Dorf habe die Amerikaner aufgesucht und gebeten, mit dem Beschuss aufzuhören. "Wir hatten Glück gehabt, dass wir überlebt haben, aber Diederichs Klärchen ist gefallen, als sie über die Strasse in einen anderen Keller laufen wollte." Wenn Tante Guste heute darüber nachdenkt, steht für sie aber trotzdem fest: "Durch ein paar Soldaten musste das ganze Dorf so viel leiden! Hätten die SS-Männer nicht geschossen, dann wären die Amerikaner durch den Ort gefahren, ohne dass ein einziger Schuss gefallen wäre." Nach dem Einmarsch sei alles dann sehr friedlich verlaufen. Die Dorfbewohner durften ein und aus gehen und auch die Gefallene begraben. Die Schule ist in dem darauf folgenden dreiviertel Jahr ausgefallen. Der damalige Lehrer Becker durfte, wegen seiner vormaligen Zugehörigkeit zum Volkssturm, vorerst nicht weiter unterrichten. Erst als eine angehende Lehrerin aus Korbach in das Dorf versetzt wurde, begann für die beiden Schulklassen, in denen jeweils mehrere Jahrgänge zusammengefasst waren, wieder der Unterricht, wie ein damaliger Schüler berichtet.
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