Kopfnuss bei Kirmes bringt Knast ein
Angeklagter aus rechter Szene zu acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt
aus: Waldeckische Landeszeitung vom 2. März 2005
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der aus Norddeutschland stammende Angeklagte, der der rechten Szene zugeordnet wird, einem 47-Jährigen bei der Kirmes in Twiste eine Kopfnuss verpasst hatte, durch die der Twister einen Bluterguss am linken Augenlid erlitt und die Brille zu Bruch ging. Dann hatte der Angeklagte nach Auffassung des Gerichts gedroht: "Ich weiß genau, wo du und deine Familie wohnen, wenn du etwas unternimmst."
Duzen schon Beleidigung
Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung zwischen dem Twister und seinem
betrunkenen Schwager, der im gleichen Haus wie der Angeklagte wohnt. Dieser
Streit war, wie der Bruder des Angeklagten bezeugte, nicht so gravierend.
Keinen Glauben schenkte das Gericht der Erklärung des 30-jährigen
Wetheners, er habe seinem Bekannten gegen den 47-jährigen helfen wollen
und dieser sei dabei zu Fall gekommen.
Der Angeklagte sprach den Twister an, duzte, bedrohte und verletzte ihn,
wie das Gericht erkannte. Zuvor hatte der Vertreter der Staatsanwaltschaft
darauf hingewiesen, dass bereits das Duzen ohne gegenseitiges Einvernehmen
strafrechtlich als Beleidigung gelte. Aber keine Staatsanwaltschaft in
Deutschland werde wohl so ein Verhalten verfolgen. Der Anklagevertreter hatte
ebenfalls wegen des umfangreichen Vorstrafenregisters auf acht Monate
Freiheitsstrafe ohne Bewährung plädiert.
Ums Leben gekommen
Der 30-Jährige war unter anderem wegen Körperverletzung mit Todesfolge
verurteilt worden. Er hatte einen Obdachlosen in Bad Segeberg so schwer
misshandelt, dass er den Verletzungen erlag. Zuletzt hatte der Angeklagte
am 28. Juli 2004 einen Bescheid vom Amtsgericht Warburg über eine gesamte
Bewährungsstrafe von vier Monaten zugestellt bekommen. Dieser habe am
3. September Rechtskraft erlangt und hätte den Angeklagten zur Besinnung
bringen müssen, erklärte Richter Karl-Heinz
Kalhöfer-Köchling gestern zur Begründung seines
Urteils.
Jedoch sei der Angeklagte während der Bewährungsfrist wieder
strafrechtlich in Erscheinung getreten. Noch im Mai 2004 habe das Amtsgericht
in Bad Segeberg eine Strafe wegen Sachbeschädigung verhängt. Es
bestehe eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Angeklagte
wieder Straftaten begehe. Daher komme eine Bewährung nicht in Frage.
Der Strafrahmen erstreckt sich nach Auskunft des Richters in diesem Fall
auf bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.
Der als Zeuge geladene 47-Jährige hatte erklärt, dass am letzten
Tag des Festes bei der sogenannten "Kirmes-Beerdigung" der Angeklagte mit
weiteren Personen in der Halle Besucher angepöbelt hätte und Speichel
auf Brillen geschmiert worden sei. Auch der Twistetaler Bürgermeister
habe sich in der gut besuchten Halle aufgehalten.
Ein Augenarzt bescheinigte das Hämatom und eine leichte
Beeinträchtigung der Sehschärfe. Der Twister war für eine
Woche krankgeschrieben worden. Die Rechnung über 105 Euro für die
Reparatur der Brille hatte er selbst bezahlt: "Ich habe den Angeklagten nicht
darauf angesprochen, eine Zivilklage hätte nichts gebracht." Er hätte
den Angeklagten doch selbst zum Zahlen auffordern können, erklärte
der Vertreter der Staatsanwaltschaft erstaunt.
Bedrohung
Aus einem neuen Vermerk in der Vermittlungsakte geht hervor, dass der
47-Jährige bedroht worden sei. Auf Befragen des Anklagevertreters
erklärte der Zeuge jedoch, dass seit dem Vorfall in der Halle in Twiste
keine neue Bedrohung ausgesprochen worden sei.
Im Verlauf der Vernehmung sah sich der Vertreter der Anklage gezwungen, den
als Zeugen auftretenden Schwager des angegriffenen Twisters auf die Konsequenzen
einer falschen Aussage oder gar eines Meineids hinzuweisen: "Das bringt Ihnen
eine höhere Strafe als dem Angeklagten ein."
Weiteres Verfahren
Möglicherweise kommt für den gestern verurteilten Wethener, der
mit einer Frau, einem zwei- und einem vierjährigen Kind zusammenlebt,
noch mehr hinzu. Zurzeit ist noch ein Verfahren gegen ihn wegen Beleidigung
und Nötigung türkischer Frauen in Wethen anhängig.
Insgesamt 14 Einträge im Zentralregister zählte Richter
Kalhöfer-Köchling vor der gestrigen Urteilsverkündung auf.
Unter anderem wurde er 1993 vom Landgericht Kiel wegen Körperverletzung
mit Todesfolge zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt.
Sechs Jahre später bekam er in Neumünster wegen gemeinschaftlicher
schwerer Körperverletzung ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe.
Volksverhetzung
Darüber hinaus wurde er wegen Volksverhetzung und Störung der
Totenruhe, mehrfach wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, wegen
Diebstahls, Hehlerei, wegen Fahrens ohne Führerschein in Verbindung
mit Trunkenheit sowie wegen Sachbeschädigung verurteilt.
"Ich habe nichts mehr zu sagen", erklärte der Angeklagte gestern nach
dem Plädoyer des Anklagevertreters. Der 30-Jährige war ohne Verteidiger
vor Gericht erschienen. Ob er Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen werde,
wisse er noch nicht, erklärte er gestern. Die Frist läuft bis
nächste Woche.
Dieses Dokument wurde veröffentlicht auf http://www.wethen.de