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Gut, dass wir einander haben
von Veronika Buter, in der Zeitschrift „kontinente“ 1-2006, Serie: LEBENS.ART


 Familien und Singles, Kinder und Rentner: Sie leben zusammen wie eine große Familie und sind doch keine. Was die Mitglieder des Laurentiuskonvents verbindet, ist der Traum von einer Gemeinschaft, die stützt und trägt – über die Brüche des Alltags hinweg.

„Ka-ra-mel-creeeeme“, kräht der dreijährige Felix. Er ist der Jüngste am Mittagstisch in der Diemelstraße 3 und ganz offensichtlich ein Fan von Schwester Myriams selbst gerührter Karamelcreme. In der geräumigen Küche des alten Fachwerkbauernhofs mit den niedrigen Decken ist es kuschelig warm. Während draußen nasskalter Novemberwind ums Haus streicht, erzählen Vera, 8, und Carla, 6, das Neueste von der Schule. Ihre Mutter Franziska, 38, die heute für alle gekocht hat, räumt den Tisch ab. Schwester Myriam, 54, eine katholische Schwester und “Onkel” Wolfgang, 73, Pfarrer in Rente, tauschen Rezeptideen aus, und Carsten, 38, hört dem munteren Geplappere der Kinder aufmerksam zu. Sie alle leben unter einem Dach, auch wenn jeder sein eigenes Zimmer oder eine eigene Wohnung hat. Nur Klaus, 39, fehlt, Franziskas Mann und Vater der drei Kinder. Er arbeitet in einer Bank und trägt mit seinem Einkommen ganz wesentlich zum Lebensunterhalt der 8-köpfigen Hausgemeinschaft bei.

Der Laurentiushof in der Diemelstraße 3 liegt mitten in dem 500-Seelen-Ort Wethen, einem verträumten Bauerndorf zwischen Kassel und Paderborn. Er ist Teil des Laurentiuskonvent e.V., einer christlichen Gemeinschaft, die 1959 gegründet wurde und sich vor 30 Jahren hier angesiedelt hat. 1975 kommen zehn Erwachsene und sieben Kinder in Wethen an. Sie haben ihre Stellungen als Lehrer, Pfarrer, Arzt oder Jurist aufgegeben, um hier ihren Traum zu verwirklichen: “Formen des verbindlichen, gemeinsamen Lebens im Geist Jesu Christi erproben” und dadurch “zur Erneuerung der Kirche und Veränderung der Welt beitragen”. Beruf und Karriere treten in den Hintergrund: „Wir wollten mehr Sein als Haben“, berichtet Wolfgang Kelm, 73, der von der ersten Stunde an in Wethen dabei ist. Mit einem leer stehenden Bauernhof in dem protestantischen Dorf haben sie damals den geeigneten äußeren Rahmen für ihr Projekt entdeckt. Es ist die hohe Zeit der “Kommunen”, der Hausbesetzer und “Aussteiger” aller Art. Doch zur Unterscheidung vom Geist der 68er wählen die mehrheitlich evangelischen Christen den biblischen Begriff “Shalom” als Leitbegriff für ihre gesellschaftspolitischen Visionen. Gemeinsame Küche und Kasse. Gemeinsam Entscheidungen treffen – ohne einen Prior. Miteinander beten und als Christen verschiedener Konfessionen gemeinsam unterwegs sein: Darauf kommt es den Gründern der Gemeinschaft in Wethen an.

Bis heute steht der Dienst für den Frieden im Mittelpunkt vielfältiger Aktionen. So haben sich auch bekannte Friedensinitiativen auf dem Gelände des Laurentiuskonvents angesiedelt: etwa das “Schalomdiakonat”, das Menschen zu Friedensfachkräften ausbildet, oder die “Ökumenische Initiative Eine Welt”, die für eine zukunftsfähige Lebens- und Wirtschaftsweise eintritt.

Inzwischen hat sich der Konvent auf zwei Höfe samt ehemaligen Stallungen und Gärten erweitert und zur „Ökumenischen Gemeinschaft Wethen“ mit 45 Mitgliedern entwickelt. Sie besiedelt ein Areal von 10000 Quadratmetern, und ihre Mitglieder sind durch zahlreiche Aktivitäten voll in das Dorfleben integriert: sei es im Kirchenvorstand, im Sportverein oder durch zahlreiche nachbarschaftliche Kontakte und Freundschaften. Den Kern der Gemeinschaft bilden nach wie vor die beiden Hof-Wohngemeinschaften. Drumherum haben sich Alleinstehende, Paare und Familien angesiedelt, die ebenso zur Gemeinschaft gehören.

Treffpunkt eines jeden Tages ist das Abendgebet im Dachgebälk des ehemaligen Kuhstalls, wo ein schlichter Stille-Raum eingerichtet ist. Hier finden alle zwei Monate auch die Abendmahlfeiern statt. Gleich nebenan, im gemütlich rustikalen „Schafstall“ mit offenem Kamin versammelt sich die Gemeinschaft zum monatlichen Gottesdienst (nach eigenen Regeln), zu den regelmäßigen „Shalom-Abenden“, an denen brennende gesellschaftliche, politische oder religiöse Fragen diskutiert werden. Oder zu den Gruppenabenden, wo praktische Fragen des Zusammenlebens im Mittelpunkt stehen.

Gerade dieses Zusammenleben hat Franziska Geissbühler und ihren Mann Klaus gereizt, als sie vor acht Jahren nach Wethen zogen. „Wir wollten uns nicht irgendwo isoliert als Kleinfamilie einrichten“, erzählt die studierte Agraringenieurin. „Wir wollten unseren gemeinsamen Lebenstraum verwirklichen, aus unserer christlichen Überzeugung heraus, verbindlich mit anderen Menschen zusammenzuleben.“ Dass die meisten ihrer Bekannten zuerst nach der Einkommensgemeinschaft fragen, erstaunt Franziska. Das Finanzielle ist für sie nämlich „einer der unkompliziertesten und problemlosesten Aspekte“. Alles fließt in einen Topf: Der Verdienst von Klaus und das Gehalt von Carsten, der als evangelischer Diakon in einer Behinderteneinrichtung arbeitet, sowie die Rente von Wolfgang. Davon werden Miete und Verpflegung, Kosten für Strom, Wasser, Telefon und Autos aber auch Spenden für Projekte in aller Welt beglichen. Als persönliches Taschengeld „genehmigen wir uns jeder  100 Euro im Monat. – Klar“, räumt Franziska ein, „sparen für ein Eigenheim können wir so nicht.“ Aber das ist bislang nicht das Ziel des jungen Paares.

Stattdessen erlebt Franziska den Alltag in der Hausgemeinschaft und die vielfältigen Kontakte zu den anderen Mitgliedern der Ökumenischen Gemeinschaft als bereichernd und oft beglückend.  “Der Tag fängt schon ganz anders an, wenn man nicht alleine frühstücken muss”, sagt Franziska. Sie braucht auch selten zu kochen und hat immer jemanden, der mal schnell auf den kleinen Felix aufpasst. Entlastet von vielen Aufgaben im Haushalt entstehen Freiräume: Für ein Bibelteilen am Vormittag, für die Mitarbeit in zwei Kindergruppen im Dorf, für das ehrenamtliches Engagement in einer Friedensinitiative. In Wethen hat die Schweizerin ihre drei Kinder geboren und viel menschliche und praktische Unterstützung in den Zeiten des Wochenbetts erlebt. Hier hat sie auch das Sterben des alzheimerkranken Lothar begleitet, einem langjährigen Mitglied der Hausgemeinschaft.

Das schweißt zusammen, aber es fordert auch heraus. Gemeinschaft ist eben ein täglicher Balanceakt, der nur mit viel Rücksichtnahme, Toleranz und der Fähigkeit zu Kompromissen gelingen kann.

Die Fülle und Vielfalt des Alltags führen bisweilen auch zu Stress und Streit. „Das Gefüge trägt,  aber es knirscht auch oft”, räumt Gisela Hinkel ein. Die 65-jährige gelernte Buchhalterin lebt seit 30 Jahren in Wethen. Sie ist dort schon sechsmal umgezogen und wohnt inzwischen alleine in einem Haus auf dem Hofgelände. „Wer hier leben will, muß eigenständig und stabil sein“, betont Gisela. “Wir sind keine therapeutische Wohngruppe. Und wir leben hier auch nicht auf der Basis von Freundschaft zusammen. Wir sind hier, weil wir uns verbindlich aufeinander einlassen und beieinander bleiben wollen“, – über die vielfältigen Brüche des Alltags hinaus.

Ohne einen Kanon fester Regeln hat sich der Konvent kontinuierlich weiter entwickelt. „Leben in Gemeinschaft hat ein gesundes Reizklima“, schmunzelt Paulander Hausmann, 71, einer der Gründungsväter, „Beziehungen, die uns herausfordern, sind die Besten.“ Auch er wohnt heute mir seiner Frau Ragnhild wenige Schritte vom Laurentiushof entfernt in einem eigenen Haus. Trotzdem: „Es ist gut, dass wir einander haben“, sagt Ragnhild  im Blick auf die Gemeinschaft. Für sie und ihren Mann ist Wethen immer noch der Ort, an dem sie sich geborgen fühlen.

Das geht nicht allen so. Menschen sind nach Wethen gekommen und wieder weggegangen. Ehepaare aus der Gemeinschaft haben sich getrennt, Einzelne haben nach „draußen“ geheiratet, manch einer suchte mehr Distanz und zog ins Nachbardorf.

Beate wäre noch geblieben. Drei Jahre hat die fünffache Mutter mit den beiden jüngsten Kindern hier gelebt. Ihre Ehe war in eine Sackgasse geraten. Wethen wurde ihr neues Zuhause. „Hier sind alle Pilger auf dem gemeinsamen Weg“, schwärmt die 50-Jährige. „Niemand behauptet von sich, er sei fertig. Und nirgendwo sonst wird mit so viel Sehnsucht und Leidenschaft um Gemeinschaft gerungen.“ Beate hat sich jedoch entschieden, den Faden ihres alten Lebens noch einmal aufzunehmen wird im Sommer zurück nach Aachen ziehen. Eines möchte sie dort unbedingt versuchen: dass ihr Familiendomizil zu einem gastfreundlichen Haus wird. Den Geist von Wethen will sie mitnehmen. Wo immer sie sich auch niederlässt.