Die Landschaft

Fast schnurgerade führte vor Jahrhunderten der Weg von Arolsen, der Residenzstadt des Fürstentums Waldeck, nach dem in nord-nordöstlicher Richtung gelegenen Dorf Wethen: vom Schloß, der Spendelallee, der Großen Stellung des Tiergartens folgend, schritt man auf die Ölmühle zu, ließ Herbsen rechts und Ammenhausen links liegen und überquerte das Eichholz auf dem breiten Fahrwege, der noch heute die Pyrmonter Straße heißt. Beim Hinaustreten aus dem Walde sah man den Ort in der Mulde liegen. Über die Fortführung dieser Straße durch die Germeter Gemarkung („wegen Anlage einer Poststraße seitens Waldeck") zu dem entfernten Pyrmont verhandelte die Regierung noch 1743 mit Paderborn (Akten des Paderborner Geheimen Rats im Staatsarchiv Münster).

Heute kommen wir auf der Bundesstraße 252 über Helsen, Schmillinghausen, Rhoden schneller zum Ziel. Dort ist unser Blick beengt und begrenzt durch den Hessenwald links und den "Stock" rechts. Sobald wir jedoch vom Laubach-Tal aus die Höhe erreicht haben, wo der Weg vom Eichholz zum Quast die Straße schneidet, halten wir überrascht inne. In der Ferne steigt der Desenberg, das Wahrzeichen des Kreises Warburg, mit seiner Ruine auf; seit dem 13. Jahrhundert saßen die Herren von Spiegel darauf. Davor leuchtet in seiner Kupferbedachung der Turm der Warburger Neustädter Kirche; beobachtend und schützend reckt er sich über die Häuser der alten Hansestadt. Durch das Diemeltal getrennt, weist rechts davon Schloß Kalenberg seine vielen Türme. Als schmaler Streifen zeigt sich weit hinten unter dem Horizont der Reinhardswald. Nach einigem Verweilen erst überschauen wir den Vordergrund. Die mit Birken bestandene Landstraße - eine in unserer Gegend seltene und schon an die Norddeutsche Tiefebene erinnernde Erscheinung - führt zu dem 3 km entfernten und 100 m tiefer liegenden Dorf. Dahinter schließen Steiler und Wester-Berg, beide teilweise mit Wald bestanden, zum Diemeltal ab; sie erheben sich, durch das Kälbertal eingeschnitten, rechts zum Germeter und Weldaer Berg.

Davor breitet sich die Wethener Gemarkung aus, an deren Entstehung viele erdgeschichtliehe Formationen mitgewirkt haben und zwar in solch reichem Maße wie nirgendwo im Waldecker Land. Wir versetzen uns in das Mittelalter der Erdgeschichte (Trias), als sich der Höhenrücken Quast - Hoher Stein aus dem Buntsandsteinmeer aufbaute. An seiner Ostseite liegt der obere Buntsandstein (Röt), der vom Muschelkalkmeer angeschwemmt wurde. Dort lagerten sich auch die kalkigen Bestandteile im unteren Muschelkalk bis hinter Hörle ab. Oberer Muschelkalk steht im Kesenberg und Reckener Berg, dem Hessenbühl und dem schon genannten Steilen, Wester-, Germeter und Weldaer Berg an, auch die Egge links der Straße gehört dazu. Die unverwitterten Kalksteine liegen z.T.wie gesät auf diesen Köpfen, so daß ein Teil des Westerberges die Bezeichnung „Knuttenberg“ (von mundartl. knoppen) erhielt. Das Deckgebirge fällt nach Osten ein, bricht an gestaffelten Störungen treppenförmig ab. Durch Brüche entstanden der Volkmarser Graben, der sich über Welda bis zur Osterlinde und im Twistetal abwärts zur Warburger Bruchzone fortsetzt sowie die Eggische Grabenzone von Rimbeck her. Die von Osten sich auf die Masse des Rheinischen Schiefergebirges bewegende Scholle - im Solling sichtbar - rief Verwerfungen hervor. Die Senken und Mulden füllten sich in der nachfolgenden Keuperzeit mit Mergeln und Letten, den schmierigen Schiefertonen, der bei Trockenheit in Schollen bricht und tiefe Risse bildet. In einem dieser Gräben fließt das klare kalte Mühlenwasser, vom Ellerborn gespeist, das einst den Bewohnern von Reckenen die Siedlung ermöglichte und die Räder der Kibitz- und Teichmühle trieb. Unterhalb der Gemarkung fließt es als „Kälberbach" durch Germete und dann in die Diemel. Seit zehn Jahren versorgt der Ellerborn durch eine Wasserleitung mit natürlichem Gefälle mit ausreichendem und gesundem Trinkwasser die Gemeinde Wethen. Wo undurchlässige Schichten den Abfluß des Wassers verhindern, entstanden durch stauende Nässe Sümpfe und Brüche (der faule, Reckener, Germeter, Asseler Bruch). Schließlich überflutete noch das Jurameer, von Welda und Germete eindringend, im Lias einen Teil der Gemarkung und hinterließ neben den Tonen und Mergeln um die Teichmühle am Oster- und Königsberg auch eisenschüssige Ablagerungen, die im Mittelalter an Ort und Stelle verhüttet wurden. In den Bruchspalten treten häufig Säuerlinge empor (Germete, Volkmarsen); daß sie in dieser Zeit auch feuerflüssigen Massen den Weg aus dem Innern der Erde öffneten, sahen wir bereits am Desenberg. Dann gingen Millionen von Jahren dahin, in denen keine Meere das sich allmählich hebende Land überspülen konnten. Die Berge wurden abgetragen und rundeten sich auf ihrem Rücken, der Schutt füllte die Senken. Die Zeugen jener Meere finden wir noch in den Seelilien (Encrinus) auf dem Quast wie in den heimischen Pflanzen, die diese Böden lieben (Orchideen, Seidelbast, Türkenbund, Lungenkraut, Aronstab, Primeln u.a.). Die Verwitterung besorgte die weitere Zersetzung des Gesteins. Der Wind füllte Dellen in den tiefer gelegenen Teilen, auch drüben am Ossendorfer Hang mit Löß. Eiszeiten kamen, aber drangen nicht über die Diemel vor; sie bildete ihr Flußbett und verkieste den Talgrund durch Schotter. Nach der letzten Eiszeit wurde das Klima wärmer, die Besiedlung unseres Gebiets konnte beginnen.


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Dieser Auszug aus Waldecksche Ortssippenbücher
Band 8 / Wethen wurde veröffentlicht auf http://www.wethen.de